Sibirien rockt!!

Ich habe wieder einmal eine sehr spannende Woche hinter mir gebracht!

Lustig war erstmal der Unterricht am Freitag morgen: Am schlimmsten ist es um 8:30 Uni zu haben, weil's da noch so dunkel is und ma net rauskommt aus'm Bett.
Unser World Economics Kurs hat aber jeden Freitag um 8:30 Unterricht. Die letzten paar Male bin ich immer 10-15 min zu spät gekommen und stand noch vor verschlossenen Türen, weil keiner Bock hatte, netmal der Lehrer selbst... Gut hab ich mir gedacht, diesmal kommste mal 30 min zu spät u frühstückst noch gemütlich in der Mensa, dann bist net jedes Mal die erste. Gesagt, getan: Erst um 9:00 bin ich angekommen, reiß die Tür auf und denk, ich seh net recht: KEIN SCHÜLER da außer ich!! Ich bin fast vom Glauben abgefallen! Nur einsam am Pult kauerte unser Lehrer und meinte: "Ich wollte schon heimgehen, es kommt einfach keiner mehr! Ich hab schon alle angerufen (10 Leute), aber keiner hört...."
Des durfte echt net wahr sein! Ich komm ne halbe Stunde zu spät und bin die erste?!?! was machen die alle? Hab gleich mal ne Runde telefoniert und versucht die Leute zamzutrommeln, Reaktion: "Boahh nee, Lena, jaa ich weiß, dass der mich angerufen hat, aber ich bin net ran, weil ich schlafen will, sag ihm, dass ich krank bin..."
Kommt bestimmt gut, wenn ich sag: "OH, sind leider heute 9 unserer 10 Schüler krank!"
Aber siehe da, unser Mexikanski is nach 45 min Verspätung eingetrudelt und da war ma scho zu zweit... Na gut, lange Rede kurzer Sinn: Daniel hatte weng Erkältung und so sind wir dann zu dritt zur Apotheke gelatscht und unser Lehrer hat uns gute russische Medikamente empfohlen....
Sowas erlebt man auch nur in Russland - Das Land der flexibelsten Unterrichtstunden der Welt!

Interview mit Russlanddeutschen:
Am Sonntag war dann unser großer Tag: Mit Unterstützung des deutschen Goethe Instituts haben wir unser Projekt endlich realisiert, das wir wochenlang geplant hatten: Russlanddeutsche besuchen und interviewen - zu ihrem Leben, ihrer Geschichte und ihrer Identität.
Vor 2 Wochen hatten wir im deutsch-russischen Haus schon ein Input zum Thema Russlanddeutsche von einem russlanddeutschen Professor, der an unserer Uni lehrt. Der Vortrag ging 2 Stunden lang und wir haben irre viel gelernt. Ich kann ja eigentlich net 2 Stunden am Stück zuhören, aber dieser Mann hat es geschafft! Viele in Deutschland wissen denk ich nur sehr wenig davon, was damals und heute mit Russlanddeutschen passiert ist.
Nach diesem Vortrag wurden wir in Gruppen eingeteilt und das Goethe Institut hat Kontakt zu den im ganzen Oblast verstreuten Russlanddeutschen aufgenommen und nach einem Interview gefragt.
Ich war mit Lukas aus Bayern aus einer Gruppe und wir haben noch eine Dolmetscherin bekommen, die Darja, die wir einen Tag davor getroffen ham. Sie ist totaaaal die Liebe, unser Team war perfekt!
Unsere Gruppe hat vom Goethe Institut eine Oma zugeteilt bekommen, die in der Kleinstadt Melnikovo wohnt, 60km von Tomsk entfernt.
Sonntag morgen sind wir dann zum Busbahnhof gefahren, haben die Tickets gekauft und sind in den Bus gestiegen, der uns nach 1,5 Stunden in den Ort gebracht hat:

Von links: Roman (seine Gruppe hatte auch eine Oma im gleichen Ort), unsere Dolmetscherin, Lukas und ich.

Als wir angekommen sind, wurden wir auch schon von der Koordinatorin abgeholt am Melnikovo-Busbahnhof. Der hatte was von den 50ern/60ern, war irgendwie spannend, wie in einer Zeitreise:

Busbahnhof, davor unsere Gas-Schrottkiste, die für mich allerweil ganz normal aussieht.



Dann sind wir insgesamt zu sechst (also unsere Gruppe und die Gruppe, die zu einer anderen Oma sollte) losmarschiert und sind auf dem Weg dorthin an schöne sibirische und liebevoll verzierte Häuschen vorbeigeschlendert.



Einfach wunderschön anzusehen!
Als wir ankamen, sind wir von den zwei Omas begrüßt worden, die eine Oma ist nämlich zur anderen Oma und die ham in einem Haus alles vorbereitet für uns, sprich unsere Gruppe bestand nun aus 6 Leuten.
Das Haus war total schön von innen, wirklich sauber, alles natürlich ein bisschen älter wie in Deutschland, aber macht ja nichts. Blümchentapeten und Blümchenteppich haben das kitschig-schöne Haus gemütlich gemacht.
Als wir ins Wohnzimmer sind, hat uns schier der Schlag getroffen: Die ham ein richtiges Festmahl für uns gekocht!! Sowas ist einfach die typische русское гостеприимство (russische Gastfreundlichkeit), die ich in Deutschland so noch nie erlebt habe. Sowas gibts einfach nur in Russland. Was wir alles zu Essen bekommen haben, war net normal! Als Hauptspeise gab es so Fleischklöße, Frikadellen, Kartoffeln mit gebratenen Zwiebeln und zusätzlich dazu noch 5 verschiedene Salate!! Die eine Oma hat gar net verstanden, warum ich kein Fleisch esse und meinte, da würden mir ja die ganzen Vitamine fehlen... ähh hä? Aber als sie mich gefragt haben, ob ich als Vegetarierin auch Kuchen esse und ich bejaht habe, waren sie ganz glücklich!

Vor dem Essen: von rechts: die 2 russlanddeutschen Omas, Felix & Roman, Lukas, Dolmetscher von denen ihrer Gruppe, ich, unsere Koordinatorin

Des war der nach dem 2. Gang, sprich nach dem Kuchen, nem 2. Kuchen, Erdbeergrütze, verschiedene Sorten Käse, gezuckerte Kondensmilch (gibt's hier total oft) und ganz viel Tee. Man waren wir satt danach!
Die ganze Zeit hat die Oma meinen Teller genommen und hat noch mehr drauf getan, weil sie gedacht hat, ich verhunger und sie meinte, ich wär so dünn... Wahnsinn, wie die sich um einen gekümmert haben... Das schlimme dabei war, dass sie mir gaaaaanz viel Rote Beete Salat draufgemacht hat, weil sie meinte, des es ja ohne Fleisch... Das klitzekleine Problem daran ist, dass ich rote Beete HASSE! Aber aus Freundlichkeit hab ich natürlich nicht nein sagen können und mit den anderen Salaten vermischt war's auch nicht schlimm!
Am Ende meinten sie, wir hätten so wenig gegessen, wir sollen doch net so schüchtern sein und noch was essen! Na gut, wir ham uns dann vollgefressen, bis wir gemerkt haben, dass es noch nen 2. Gang gibt.. da war's dann endgültig vorbei... Unsere Bäuche sind fast geplatzt!

Danach haben wir uns endlich dem gewidmet, wofür wir eigentlich da waren: dem Interview.
Unsere Fragen waren z.B. woher die Eltern, Großeltern kommen, was ist während des 2. Weltkrieges mit den Russlanddeutschen passiert ist, usw.. und dann erzählte sie und wir hörten aufmerksam zu:
Ihre Eltern kommen aus Saratov (an der Wolga, da wohnten die meisten) und als Deutschland Russland überfallen hatte (1941), kamen Offiziere zu ihrem Haus und meinten, sie wären alle Faschisten und Verräter und müssen innerhalb von 24 Stunden alles packen und abhauen. Das groteske an der Sache war, dass die Russlanddeutschen, seitdem sie nach Russland übersiedelt waren durch die Zarin Katharina die Große im 18.Jhdt., treu dem russischen Staat gedient haben in diversen Kriegen usw. und sich gar nixmehr als Deutsche identifizieren konnten... aber als der Krieg anfing, waren sie dann plötzlich die Faschisten.
Sie wurden dann in Züge gesteckt und gen Osten gefahren, hauptsache weit weit weg, damit sie nicht stören. Den 16jährigen Sohn haben sie auf der Fahrt verloren und erst 30 Jahre später Kontakt herstellen können. In Sibirien wurden sie hauptsächlich im Omsker Oblast, Altai-Gebirge, Novosibirsker Oblast und Tomsker Oblast angesiedelt. Als sie in die Schule kam, konnte sie kein Russisch, ihre Eltern haben daheim nur deutsch geredet. Als sie einen russischen Mann gefunden hat, war ihr Vater sauer, weil er meinte, sie soll lieber nen deutschen Mann heiraten, das hat sich allerdings insofern als schwierig ergeben, da es nur 2 deutsche Männer in ihrem Dorf gab, die sie beide blöd fand. Heute lebt sie in diesem Dorf mit ihrem Mann zusammen, der aber nicht da ist, weil er nichts mit Deutschen zu tun haben will.
Und sie konnte auch noch ein wenig deutsch! Des war sooooooo interessant, ihr Deutsch zu hören! Ihre Vorfahren stammten aus Hessen, deswegen hat sie noch diesen hessischen Dialekt geredet, den man vor 250 Jahren dort gesprochen hat! Das hat sich so lustig angehört, man musste genau hinhören, um alles zu verstehen! Unsere arme russische Dolmetscherin hat nur noch Bahnhof verstanden....
Insgesamt war der Tag bei den Omas einer der interessantesten Tage hier in Tomsk! So nah kommt man fast nie an die Geschichte der Russlanddeutschen heran!
Als wir gegangen sind, konnten es die Omas natürlich nicht lassen, uns noch Konserven, 20 kg Kartoffeln usw. für den Winter mitzugeben... Wir kamen uns so schuldig vor, aber unsere russische Dolmetscherin versicherte uns, dass das einfach die russische Gastfreundschaft ist...
Mit leeren Händen gekommen, vollbepackt bis zum geht nichtmehr gegangen:


Als wir nach Hause kamen, gabs für uns in meinem Zimmer eine vorweihnachtliche Bescherung:

die zwei Säcke Kartoffeln sind NICHT im Bild!
Nach anfänglichen Aufteilungsschwierigkeiten hat sich am Ende jeder ein Gläschen ergattert, Kartoffel inbegriffen!
Wir waren am Ende erschöpft aber überglücklich, der Tag war einfach spitze!

Aaaaaber trotz Erschöpfung haben wir's uns nicht nehmen lassen, das olympische Feuer von Sotschi 2014 in nächster Nähe anzuschauen!! DENN: Kaum zu glauben, aber es ist für 6 Stunden nach Tomsk gekommen! Natürlich war die Hälfte der Straßen gesperrt und ein extrem hohes Polizeiaufgebot, Autodurchsuchungen inklusive:

Polizeitrupp
POLIZIJA mit ihren süßen Russenmützen!
Es wurden sogar Suchhunde eingesetzt...russische Gründlichkeit
Ich war natürlich live vor Ort! Um 18:00 Uhr ging dann die Parade los:

Die Polizei führt die Parade an

Natürlich mit DEUTSCHEM Qualitätsfahrzeug!!


Coca Cola ist auch in Sibirien präsent!
 Und dann der große Moment: Ich hab mich durch die Menge gerangelt und ein Bild mit dem Fackelmann bekommen!!!!! Ich hab die olympische Fackel sogar anfassen dürfen!!




Dann wurde das olympische Feier feierlich angezündet
Und er ist einfach weggerannt!

Ein spannendes Wochenende ging so zu Ende, sowas erlebt man halt nur in Sibirien!
Eine schöne und entspannte Woche wünsche ich euch!
Bis bald
Lena


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